Rezension: „Handbuch der politischen Poesie“, hg. von Joachim Sartorius (Der Freitag)

Die schwarze Nacht gab mir schwarze Augen. / Doch ich suche mit ihnen das Licht.“ Das Gedicht Eine Generation ist lediglich zwei Verse lang, verfasst von Gu Cheng, geboren 1956 in Peking. In wenigen Worten hat Cheng das Gefühl der „verlorenen Generation“ in China zum Ausdruck gebracht; das kann so nur ein Gedicht oder ein Song. Gu Chengs Lyrik machte ihn in seiner Heimat zur Persona non grata. Er exilierte nach Neuseeland, wo er am 7. Oktober 1993 zunächst seine Frau und dann sich selbst tötete. Weiterlesen!

Rezension neuer Gedichtbände von Marcel Beyer, Silke Scheuermann, Katharina Schultens und Jan Wagner (Der Freitag)

„Poesie war Widerstand“, lautet der vielleicht meistzitierte Satz aus Kruso, Lutz Seilers Debütroman, der in diesem Jahr mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Seiler ist bislang vor allem als Lyriker hervorgetreten, seine Hauptfigur, Ed Bendler, verehrt besonders den Dichter Georg Trakl, „der am unerbittlichsten tönte mit seinen Versen aus Laub und Braun“. Weiterlesen!

Rezension: „Warten auf der Gegenschräge“. Gesammelte Gedichte von Heiner Müller (Der Freitag)

Wer auf Friedhöfen die Gräber prominenter Persönlichkeiten aufsucht, entdeckt öfter Merkwürdiges. Auf dem Grab Heiner Müllers (in unmittelbarer Nähe zu dem seines dramaturgischen und auch lyrischen Über-Vaters Bertolt Brecht) lag vor Jahren eine echte Zigarre, die sein Markenzeichen gewesen ist. So eindrucksvoll wie das Bild vom zigarrenrauchenden, schwarzbebrillten Heiner Müller sind nicht wenige der Gedichte, die nun knapp 20 Jahre nach seinem Tod 1995 im Band Warten auf der Gegenschräge vorliegen, die die Berliner Literaturwissenschaftlerin Kristin Schulz herausgegeben hat. Das Buch ersetzt den 1998 erschienenen Gedichtband der Heiner-Müller-Werkausgabe. Weiterlesen!

Gespräch mit Maja Haderlap und Judith Zander am 24.09.2014 (Stiftung Lyrik Kabinett)

Maja Haderlaps Gedichtband „langer transit“ (Göttingen: Wallstein 2014) und Judith Zanders Gedichtband „manual numerale“  (München: dtv 2014) könnten unterschiedlicher kaum sein. So war es eine ziemliche Herausforderung, mit ihnen am 24.09.14 in der Stiftung Lyrik Kabinett, München, zu sprechen — in diesen für mich Heiligen Hallen der Lyrik, wo enthusiastische und kundige Zuhörer*innen zuhauf zusammenkommen.

Rezension Daniela Danz „V“ (Der Freitag)

Wenn du eine Wand einreißt, dann musst du den Raum vor Augen haben, den du damit schaffst, nicht den Dreck, der dabei entsteht.“ Mit diesem Motto leitet Daniela Danz ihren dritten Gedichtband V ein. Man kann vermuten, dass die Autorin, die 1976 in Eisenach geboren wurde, diese Aufforderung weder rein topografisch noch rein metaphorisch verstanden wissen will, sondern auch im zeitgeschichtlichen Assoziationsraum vom Fall der Mauer, die Osten und Westen voneinander isoliert hat. Weiterlesen!