Willkommen auf meiner Seite!

Nach Stationen im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bei der Berliner Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, dem Neuen Tag in Weiden und der Zeitschriftenredaktion von Schott Music in Mainz, rezensiere und schreibe ich für Print (Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Freitag, Frankfurter Hefte, mare), für ZEIT online, das Signaturen-Magazin und für den Hörfunk (DLF, SWR, WDR).

Seit 2019 bin ich Redakteurin des Kulturteils der Frankfurter Hefte.

Als Moderatorin gehöre ich zum Beraterteam des Poet:innenfests Erlangen. Regelmäßig moderiere ich im Hessischen Literaturforum, in den Literaturhäusern Frankfurt, Freiburg, Stuttgart und Wiesbaden.

Ich gehörte bzw. gehöre diversen Jurys an: der SWR-Bestenliste (seit 2019), für den Orphil-Preis der Stadt Wiesbaden (seit 2018), den Peter-Huchel-Preis des SWR (2019-2022), für das „Buch des Monats“ Darmstadt (seit 2020), für den Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau (seit 2018), den 2019 vergebenen Gertrud-Kolmar-Preis, sowie in den Jahren 2018 und 2020 bis 2022 für den GWK-Förderpreis Literatur.

An der Justus-Liebig-Universität Gießen, am DLL, dem mediacampus, Frankfurt am Main und in der Berliner Akademie für Lyrikkritik hatte bzw. habe ich Lehraufträge für Literaturkritik,  zu Fragen der Gegenwartsliteratur insbesondere der deutschsprachigen Gegenwartslyrik.

Studiert habe ich in Germanistik, Anglistik und Theater- und Filmwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität und der Freien Universität Berlin. Dort habe ich mein Studium mit einer Arbeit über Paul Celans Büchner-Preis-Rede „Der Meridian“ abgeschlossen.

Nachrichten und Anfragen sind willkommen.

Lese(n) 2018

Nichts zu lachen?

Es gibt ja gemeinhin eher wenig zu lachen. Aber ich lache gerne, und so nenne ich hier zunächst die Bücher, bei deren Lektüre ich in diesem Jahr derart lachen konnte, dass es nicht auf Kosten Dritter geschehen ist, sich das Lachen auf halber Strecke in Horror, Irritation, Trauer oder Hilflosigkeit verwandelt. Aber immerhin, Lachen war erkenntnisfördernd möglich: so etwa über die selbstironischen Einlassungen des nach Kanada eingewanderten Haitianers Dany Laferriere, der sich in „Tagebuch eines Schriftstellers im Pyjama“ (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn, 2017) bitterböse und kolonialismuskritisch an Klischees über (die Potenz) farbige(r) Männer abarbeitet. Oder über einige von Paul-Henri Campbells Gedichten in „nach den narkosen“ (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn, 2017), über die empathischen und lebensnahen Texte von Martina Hefter in „Es könnte auch schön werden“ (Berlin: KOOKbooks 2018), über bizarre Bonmots und Details, in überraschendem Vokabelkleider einherschreitend, wie es Heimito von Doderer in der“Strudlhofstiege“ (München: C. H. Beck 2016) meisterhaft vollführt:
„Man sieht, wie jedermann seine Beiträge lieferte zur Komplizierung quer liegender Sachen, nun, eigentlich schon kreuz und quer liegender Sachen.“

Auf ganz äußerliche Weise lässt sich dem Kontingenzempfinden mit einem Buch in der Hand begegnen: Jemand hat etwas geschrieben, ein Verlag hat das Manuskript angenommen, lektoriert, den Text gesetzt, die Ausstattung komplettiert usw. usw. Beruhigender Gedanke, maßgeblich unterstrichen durch die Materialität des Buchs, schon allein deswegen werde ich mich nie ganz ans Digitale gewöhnen: Du hast ein Buch in der Hand? Dann hast du schon etwas in der Hand.

Eine Erinnerung aus dem Sommer 2018: Das Schlimmste an dem Umstand, dass eine verwirrte Seele im August mir auf dem Weg in meinen ersten großen Urlaub seit Jahren das Auto aufgebrochen hat (wohlgemerkt in einem Taunusvorort und nicht irgendwo im Ausland, wie es viele, denen ich die Geschichte zu erzählen begonnen habe, gleich mutmaßten), war weder die zerbrochene Scheibe, noch waren es die Scherereien auf der Suche nach einer Werkstatt, die das Auto Samstagmorgens zur Reparatur annimmt und es auch behält. Das Schlimmste war, dass diese verwirrte Seele ausgerechnet die Büchertasche mit meiner Urlaubslektüre aus dem Auto entwendet hatte, so dass ich in der Hängematte in Ligurien nicht die Bücher lesen konnte, die ich doch so dringend hatte lesen wollen. Das war das separat eingepackte Lesegerät mit den Digitalisaten ausnahmsweise ein Segen, ebenso wie der Bücherschrank im Feriendomizil, der breit gefächert ausgestattet war.
(Die Tasche ist übrigens wieder aufgetaucht, die Seele war tatsächlich so verwirrt, dass sie den Reichtum nicht bemerkt  und die Tasche mitsamt allen Büchern darin in einen Busch geschleudert hat.)

Und hier kommen nun einige Leselisten des Jahres. Ich wollte schon lange mal wieder eine Leseliste aufstellen, alle möglichen Leute machen das ja ständig, sie machen auch Plattenlisten und Ausstellungslisten und manche werden sogar nach dafür bezahlt. (Meine letzte offizielle Leseliste stammt von 2008, mit ihr habe ich in Graz das Amt der Lesestipendiatin gewonnen, ich bin also auch dafür bezahlt worden, heuer, um es mal auf steirisch zu sagen, war ich dort mal wieder zu Besuch.)

Jetzt sind es mehrere geworden. Und ich geb‘ sie gratis her, es sei denn, jemand möchte was spenden. (Kein Anwalt gibt auch nur einen rechtlichen Tipp für umsonst her, als Leserin und Kritikerin werde ich dagegen ständig gefragt, ob ich nicht einen Tipp hätte für die französische Halbschwester, den operierten Onkel, usw. )

Die Listen sind im Großen und Ganzen nach Adjektiven sortiert, obwohl ich an sich gegen den inflationären Gebrauch von Adjektiven bin, obwohl auf alle Bücher mehrere passen, und obwohl Adjektive schnell verrutschen. Man kann die hier gelisteten Bücher, von den ärgerlichen abgesehen, auch einfach als Leseempfehlungen begreifen.

Prosa / Fiction

  • Mehrmals:„Die Universität“ von Andreas Maier. Roman (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Tränenreich: „Es könnte auch schön werden“ von Martina Hefter. Gedichte und Sprechtexte (Berlin: KOOKbooks 2018)
  • Informativ: „Alle, außer mir“ von Francesca Melandri. Roman (Berlin: Wagenbach 2018)
  • Poetisch: „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ von Peter Kurzeck. Romanfragment (Frankfurt am Main: angekündigt bei Stroemfeld 2018 / erscheint bei Schöffling 2019)
  • Inspirierend: „Erinnerungen eines Mädchens“ von Annie Ernaux. Prosa (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Traurig: „Geisterbahn“ von Ursula Krechel. Roman (Salzburg: Jung und Jung 2018)
  • Überraschend: „Orchis“ von Verena Stauffer. Roman (Wien: Kremayr &Scheriau 2018)
  • Hochintelligent: „Buch der Zahlen“ von Joshua Cohen. Roman (Frankfurt am Main: Schöffling 2018)
  • Ärgerlich: „Wie hoch die Wasser steigen“ von Anja Kampmann. Roman (München: Hanser 2018)

Lyrik

  • Immer wieder: „Gedanken unter den Wolken“ von Philippe Jaccottet (Göttingen: Wallstein 2018)
  • Tränenreich:„Es könnte auch schön werden“ von Martina Hefter. Gedichte und Sprechtexte (Berlin: KOOK 2018)
  • Lehrreich: „Dodos auf der Flucht. Requiem für ein verlorenes Bestiarium“ von Mikail Vogel (Berlin: Verlagshaus Berlin, 2018)
  • Poetisch (bei Lyrik eine behämmerte Charakterisierung, aber ich lasse sie trotzdem stehen): „Wer A sagt“ von Sandra Burkhardt (Frankfurt am Main: Gutleut 2018)
  • Inspirierend:„Falsches Rot“ von Dieter M. Gräf (Berlin: Brueterich Press 2018)
  • Traurig: „geschriebes. selbst mit stein“ von Rainer René Mueller (Heidelberg aouey 2018)
  • Überraschend: „3 Falter“ von Sibylla Vricic Hausmann (Leipzig: Poetenladen 2018)
  • Hochintelligent: „Engel der Illusion“ von Christian Uetz. (Zürich: Secession 2018)
  • Ärgerlich (der Aufmachung halber, die den reichen Inhalt in Sack und Asche kleidet): „Aus Mangel an Beweisen“. Anthologie. Hg. von Michael Braun und Hans Thill (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2018)

Sachbuch / non fiction

  • Mehrmals: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Tränenreich: „Randgebiete der Arbeit“ über Tomas Tranströmer (München: Hanser 2018)
  • Lehrreich: „Die immer neue Altstadt. Bauen Zwischen Dom und Römer seit 1900.“ Ausstellungskatalog. Hg. von Philipp Sturm und Peter Cachola Schmal. (Berlin: Jovis 2018)
  • Poetisch: „Enzyklopädie des Zarten“ von Anne Brannys (Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt 2017)
  • Inspirierend: „Vertigo“ von Heike Gallmeier. (Berlin: Fantome 2018)
  • Traurig: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Überraschend: „Die Illusion der Gewissheit“ von Siri Hustvedt (Hamburg: Rowohlt 2018)
  • Streitbar: „Poetisch denken“ von Christian Metz (Frankfurt am Main: S. Fischer 2018)
  • Ärgerlich: „Anti-Genderismus“ Hg. von Sabine Hark und Paula-Irene Villa (Bielefeld: Transcript 2015)

Zehn neu und / oder wiedergelesene Lieblingsbücher

  • „Die Strudlhofstiege“ von Heimito von Doderer. Roman (München: C. H. Beck 2016. Sonderausgabe)
  • „nach den narkosen“ von Paul-Henri Campbell. Gedichte (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2017)
  • „Licht“ von Christoph Meckel. Roman (Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1991)
  • „Die Jahre“ von Annie Ernaux. Prosa (Berlin: Suhrkamp Verlag 2017)
  • „Fremde Felle“ von Sylvia Geist. Gedichte (Berlin: Hanser 2018)
  • „Die Universität“ von Andreas Maier. Roman (Berlin: Suhrkamp Verlag 2018)
  • „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi. In der Übersetzung von Rosemarie Tietze. Roman (München:Hanser 2009)
  • „Cherubinischer Wandersmann“ von Angelus Silesius. Kritische Ausgabe. (Stuttgart: Reclam 2000)
  • „Hinter Büschen an eine Hauswand gelehnt“ von Zora del Buono. Roman (München: C.H. Beck 2017)

(PS: Begründungen werden separat berechnet!)

20 Jahre Schreibkraft – Das Feuilletonmagazin (20. November 2018; Forum Stadtpark, Graz)

Anlässlich der Zwanzigjahrfeier lädt das Feuilletonmagazin „Die Schreibkraft“ ins Grazer Forum Stadtpark.

Vor zehn Jahren hab ich dort das erste und einzige Grazer Lesestipendium zelebriert, das war so schön! Und nun darf wieder hin, als Mitdiskutantin zur Lage der Literatur unter dem Motto „Geht’s noch?“

Ich freu mich, bin ein wenig nostalgisch — „Ach, das waren glückliche Tage“.

Hier die Infos zur Veranstaltung:

Geht`s noch? 20 Jahre edition schreibkraft
Dienstag, 20. November 2018 von 20:00 bis 23:00 im

FORUM STADTPARK

Stadtpark 1, 8010 Graz

Es lesen Christoph Dolgan, Tanja Paar, Cordula Simon
Es spielen Die Rabtaldirndln
Es diskutieren Margitt Lehbert (Verlegerin, edition rugerup, Berlin), Tanja Paar (Schriftstellerin, Wien), Andreas R. Peternell (schreibkraft-Redakteur, Graz), Jorghi Poll (Verleger, edition atelier, Wien), Beate Tröger (Journalistin und Moderatorin, Frankfurt/Main)
Es moderiert Thomas Wolkinger
Es wird gegessen Geburtstagstorte

Ina Hartwig: Wer war Ingeborg Bachmann (Der Freitag)

Nun ist das Buch nicht erschienen: Es ist eindrucksvoll, überraschend, überaus reflektiert, im Ton zugleich skrupulös und selbstbewusst, welch eindrucksvolle Kombination. Du, glückliches Frankfurt, hast eine Kulturdezernentin, die weiß, dass Kultur das Unterschiedene braucht, liebt, fördern muss. Meine Besprechung des Bandes für den FREITAG kann man nachlesen, und zwar hier!

Tiefsinniges Tischgespräch, zufällig mitgehört.

Freitagmittag, in der Bahnkantine, Hauptbahnhof Frankfurt am Main

Sie sind zu dritt. Wie aus ihrem Gespräch hervorgeht, sind sie Lokführer, alle so an die Sechzig, sie sehen handfest aus, tragen Dienstuniformen und haben ihre Arbeitsrucksäcke bei sich.
Sie teilen sich drei aneinander gereihte, tresenartige Kantinentische.
Sprecher 1 und 2 sitzen sich an Tisch 1 und 2 schräg gegenüber. Sprecher 3, mit Akzent, der ostdeutsche Herkunft vermuten lässt, mit gelocktem, angegrautem Vokuhila, Vollbart und eckiger Brille mit selbsttönenden Gläsern, sitzt am äußersten Rand des dritten Tisches, so dass sie SEHR laut miteinander reden müssen, um sich zu verständigen.
Freitag ist Fischtag. Also essen sie Fisch, die drei. Den Freitagskantinen-Klassiker: paniert, mit Kartoffelsalat in Essig-Öl-Marinade und Joghurt-Dip. Zitronenscheibchen gibt’s nach Wahl dazu. Das Gericht läuft  unter der Rubrik „Job & Fit“ (was eine gewisse Rolle für seine Zubereitung gespielt hat, wie wir noch erfahren werden):

Sprecher 1 (kaut und schluckt ein Stück Fisch): „Wie Moltofill schmeckt das in der Mitte, wie Moltofill!“

Sprecher 2: „Es liegt daran, dass sie das Zeug im Dampfgarer zubereiten. Damit es gesünder ist.“

Sprecher 3: „Es schmeckt nicht. Man muss es richtig braten, es muss heiß sein, dann schmeckst und merkst du die Mehlschicht zwischen dem Fisch und der Panade nicht.“
(Pause, kaut)
„Was ist Moltofill?“

Schweigen.

Sprecher 1 (leicht vorwurfsvoll): „Du kennst Moltofill nicht?!“

Sprecher 3: „Nein.“

Sprecher 2: „Das ist ein altdeutsches (sic!) Zeug, das hier jeder benutzt.“

Sprecher 1: „Kriegst du in jedem Baumarkt. So ein Pulver zum Anrühren. Gips. Für Spachtelmasse. Kannst Du alles mit befestigen: Balkongeländer im Boden, Dübel in der Wand.“

Sprecher 2: „Ist altdeutsch. Was Persil unter den Waschmitteln, ist Moltofill unter den Gipspulvern. Damit kriegst du alles fest. Kennt jeder.“

Sprecher 3 (will jetzt auch endlich mal Kennerschaft beweisen): „Also, die können es hier nicht. Egal, was ich esse, es schmeckt einfach nicht. Also: Das beste Öl zum Braten, ist Kokosöl. So gesund. Das Beste! Und du kannst es für alles verwenden, es beliebig erhitzen, so heiß, wie du willst. Es sieht übrigens garnicht aus wie Öl. Es ist fest, wie Wachs. Wie Paraffin eigentlich. Aber man sagt Öl dazu. Und wisst ihr, warum?“ (triumphierend): „Ich hab da eine Sendung gesehen. Da, wo es herkommt, ist es so warm, dass es flüssig ist. Aber hier, hier ist es zu kalt. Da wird es fest. Aber du kannst es für alles verwenden. Nur stinkt es nachher im ganzen Haus nach Kokos. Überall. Also, am besten man nimmt es zum Grillen, da ist man ja eh draußen.“

***

Fassen wir zusammen: Eigentlich kann man fast alles für fast alles verwenden. Doch während die Globalisierung an dieser Stelle einen Triumph verbuchen kann (Kokosöl), gibt es in Sachen Wiedervereinigung auch nach beinahe drei Jahrzehnten noch immer Nachholbedarf (Moltofill).