Ein Mann, eine Hündin und zwei Frauen. Rezension zu Bodo Kirchhoff „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“ (11. Januar 2024, Deutschlandfunk Büchermarkt)

Einen „Erkunder der Liebe“ hat man den 1948 geborenen Bodo Kirchhoff genannt. Es sind die Spielarten von Liebe und Eros, die der Autor in allen Variationen in all seinen Romanen und Novellen von Beginn an durchdekliniert. Auch im neuen Roman stehen Liebe, Eros und Sehnsucht erneut im Zentrum der Handlung. Ferragosto steht bevor, der in Italien so wichtige Feiertag Mariä Himmelfahrt. Er fällt zusammen mit dem 75. Geburtstag von Louis Arthur Schongauer, der mit einer Menge quälender Erinnerungen in seinem Haus an einem der Hänge des Gardasees lebt. Seine Frau Magda, Tierfotografin, ist beim Schwimmen ertrunken. Schongauer hat sich nach diesem Tod mit der Hündin Ascha zurückgezogen.

„Seit er sein Leben mit einem Tier teilt, denkt Schongauer manchmal daran, dass er gern als dieses Tier auf die Welt gekommen wäre, nur mit dem Gedächtnis für Gut oder Ungut, Freund oder Feind und ohne Wissen um die Zeit.“

Herr und Hund, so beginnt es. Doch rasch wird die Einsamkeitszweisamkeit von der jungen Reisebloggerin Frida gestört. Sie hat sich mit ihrem Wohnmobil vor Schongauers Haus heillos verfahren und lockt Schongauer als erste aus seinen Gedanken, ehe am nächsten Tag auch die Autorin Almut Stein ankommt. Sie hat sich angemeldet, um Schongauer zu porträtieren und zu interviewen. Die männliche Askese und Einsamkeit werden, so stellt sich also heraus, bedroht von Verlockungen und Anfechtungen, insbesondere weiblicher.

Um dies zu illustrieren, fährt Kirchhoff wuchtige künstlerische und literarische Referenzen auf: Martin Schongauers „Die Versuchung des Heiligen Antonius“. Der Stich zeigt den Eremiten umgeben von grausigen Zwitter- und Frauengestalten, die Antonius zu zerreißen drohen. Der Stich ist, wie man anfangs erfährt, in der Wohnung des nachgeborenen Namensvetters Schongauer, so aufgehängt,

„dass man ihn auf dem Klo sitzend vor sich hat, dazu griffbereit das gleichnamige Buch von Flaubert, wie andere dieses Örtchen mit einem Comic bereichern“.

Flauberts Roman „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ ist die weltliterarische Variante der Bedrängnis des Mannes durch das Weibliche: Bei Kirchhoff sind die Attacken zwar nicht unbedingt teuflischer Art, aber in der witzig gemeinten Gleichsetzung von Flaubert mit einem Comic bricht sich bereits die Art der Prätention Bahn, die in diesem Roman immer wieder aufscheint in Sätzen, die sich nur unter Ächzen ertragen lassen.

„Männer sind nur selten keine Männer mehr. So, als wären sie im Frauenkörper auf die Welt gekommen oder als zweite Geige.“

ugegeben, hier spricht die vom Arztgatten betrogene Autorin und Journalistin Almut, in die Schongauer sich im Laufe des Gesprächs verlieben wird. Sie hat eine ziemliche Wut auf Männer, sagt, sie kenne keinen Mann, für den es kein Gewinn an sich sei, nicht als Frau auf die Welt gekommen zu sein. Das passt in gewisser Weise zu Schongauers Leben ohne Frauen. Aber reden Frauen tatsächlich so?

Das zweite große Erkundungsfeld des Romans ist die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tier, nach dem Wesen des Menschen als intelligibles Tier, als zoon und animal, dessen Verortung im Tierreich aber nicht hinreicht, um ihn zu beschreiben, der Mensch, der sich gelegentlich nach einer Tiernatur sehnt. Doch auch hier geht es zeitweilig zwiespältig zu, wenn der projektive Blick sich Bahn bricht, in der Hündin zu deutlich aufscheint, was doch Schongauer fehlt.

„Tausende Male war das so, ein Wedeln als Signal für alles Verlässliche, das von ihm ausgeht, in so blindem Vertrauen, dass er in dem Moment auf die Knie fiel, um mit ihr auf gleicher Höhe zu sein.“

Konstruiert wirkt, dass Schongauers ertrunkene Frau Tierfotografin war, ihr Berufsleben lang ihrer Faszination für Tiere Ausdruck gab, kurz vor ihrem Tod noch ein ertrunkenes Pferd am Strand abgelichtet hat. Überhaupt die Dramaturgie: Wie wahrscheinlich ist es, dass zwei Frauen zugleich bei einem einsamen alten Schauspieler aufkreuzen? Wie nahe liegt es heute noch, eine Freiberuflerin im kostspieligen Lancia Cabrio nach Italien fahren zu lassen, um dort tagelang einen halbvergessenen Schauspieler zu befragen? Wie nachvollziehbar ist es, das Interview auf dessen Boot auf dem Gardasee zu verlagern, wo die zwei nach dem Schwimmen lediglich in Handtücher gewickelt bei Salami und Wein ihr begonnenes Gespräch fortsetzen? Wie glaubwürdig ist, dass Almuts Arztgatte Schongauers Herzschwäche durchs Telefon hören kann?

Kaum anders bestellt ist es um die Symbolik. Der Sturm, den die Figuren in Schongauers Haus erleben, zerdrückt auch das altersschwache Boot und deutet darauf hin, wie es mit Schongauers und Almuts Verliebtheit weitergeht. Sie endet. Schongauer schließt mit allem ab, wird seine Hündin der Obhut einer anderen Frau übergeben. Es hilft bei der Lektüre von „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“ wenig, dass es passagenweise auf Martin Walsers „Ein fliehendes Pferd“ anspielt. Es hilft wenig, sich zu erinnern, dass man jahrelang Bodo Kirchhoffs Bücher über die abgründigen Spielarten der Liebe neugierig und häufig auch gern mitgelesen hat. Dieser Roman ist bis in die bizarre Beschreibung von Frauensandalen hinein zwiespältig:

„Schongauer sieht auf die Füße der Stein in offenen, libellenhaften Schuhen, Füße mit Zehen wie Orgelpfeifen, die Nägel perlmutthell.“

Man kennt diese Sandalen bereits aus Kirchhoffs buchpreisgekrönter Novelle „Widerfahrnis“:

„Sie stand dort in Sandalen, die aber nichts Gesundheitliches hatten, sondern vielmehr etwas nervös Libellenhaftes.“

Wie abgedichtet gegen sich selbst spricht der Protagonist dieses Romans, irgendwann regt sich beim Lesen der Wunsch, die Frauen müssten nicht noch einmal schuld sein, in diesem Fall daran, das Erzählen des schweigenden alten Schauspielers durch ihr Auftauchen, ob nun in Turnschuhen oder libellenhaften Sandalen, wieder in Gang gesetzt zu haben.

https://www.deutschlandfunk.de/bodo-kirchhoff-seit-er-sein-leben-mit-einem-tier-teilt-dlf-47212c72-100.html

Im Namen der Anima. Rezension zu Marion Poschmann „Chor der Erinnyen“ (2. Januar 2024, Deutschlandfunk, Büchermarkt)

Mathilda, Birte und Olivia kennen sich seit Schulzeiten. Jetzt treffen sie in einer Jagdhütte im Wald wieder zusammen. Und es geschehen seltsame Dinge, bei denen sich die Erscheinungen in der Natur und persönliche Erfahrungen mit Mathildas Visionen und Tagebuchaufzeichnungen vermischen. Was liegt diesem eigenartigen Geschehen zugrunde? Ein wildes Motto hat Marion Poschmann ihrem neuen Roman vorangestellt. Es ist ein Zitat aus dem berühmten Gedicht „Am Turme“ von Annette von Droste-Hülshoff. „Und darf nur heimlich lösen mein Haar, Und lassen es flattern im Winde!“ Drostes Gedicht beschreibt die Sehnsucht seiner Sprecherin, die, „gleich einem artigen Kinde“ an ihre Rolle als domestizierte Frau gebunden, aus dieser auszuscheren versucht.

Eine gezähmte Frau ist auch Mathilda, Lehrerin und Hauptfigur von „Chor der Erinnyen“. Ihr Mann hat sie gerade unvermittelt verlassen. Er ist, wie man aus Poschmanns vorangegangenem Roman „Die Kieferninseln“ weiß, unterwegs in Japan. Ihre Mutter, eine strenge Frau, hält Mathilda noch immer unter ihrer Fuchtel. Während Mathilda weiter ihrem genau geregelten Leben im wohlgestalteten Ambiente nachgeht und das Verschwinden ihres Mannes verschleiern möchte, geschehen um sie herum merkwürdige Dinge. Manche haben mit ihrem Schreiben, ihrer Schrift zu tun:

„Sie begann mit einem ersten Gewölle, ließ sich Zeit mit den Linien, schlang sie sorgsam übereinander, immer dichter.“

Das Schreiben als Versuch, Bedeutung herzustellen, ist der Lehrerin vertraut. Sie schreibt in der Klasse Ziffern und Wurzeln, Noten, Bass- und Violinschlüssel ebenso an die Tafel schreibt, Integrale, Graphen und Parabeln. Sie verirrt sich aber, wenn es darum geht, in ihrer Handschrift verobjektivierbare Zeichen in die Kladde zu schreiben. Die Kringel und Krakel wirken wie das ausgespiene, unverdauliche Gewölle einer Eule. Mathildas Inneres verirrt sich quasi auf dem Weg in die Welt. Doch nicht nur Mathildas Schrift entzieht sich der Bedeutung, löst sich auf. Tassen fallen zu Boden, ein Wald beginnt zu brennen. Die Natur gerät in Aufruhr. Gegen Ende des Romans zieht ein furioser Sturm auf:

„Erst jetzt hörte sie einen ohrenbetäubenden Wind, ein auftrumpfend machtvolles Wehen, Sturmesgewalt. Sie ging ein langgezogenes Brombeergebüsch entlang, es wehte stetig an diesem Gebüsch vorüber, die Brombeerzweige schwankten, ein einzelnes rotes Ahornblatt taumelte vor ihr her.“

Und während Mathilda in den Sturm hineingeht, verwandelt sich das Blatt:

„Jetzt vermehrte es sich zu einer Laubwolke, rot, rot, rot, rot, sie sah gefächerte Schirme vor sich, Baldachine, Blätterdächer, sie sah sich selbst, wie sie durch diese Blätterwolken schritt, langsam mit Würde, der Macht des Alleinseins durch rote, blutrote Wolken von der Farbe innerer Organe, es war ein Zustand, an den sie sich jetzt plötzlich wieder erinnern konnte.“

Das „Wandeln des Blattes“ im Sturm gleicht dem Ausbrechen aus dem System einer begrifflichen Schrift. Die merkwürdige Korrespondenz zwischen Mathildas innerem Erleben und einer entfesselten Natur führen ins Epizentrum dieses anspielungsreichen und extrem dicht gebauten Romans mit seinen Episoden, Nebensträngen, Verweisen. Auf der Bühne der Natur kann geschehen, was Mathilda verdrängt, unterdrückt, beherrscht und kleinhält – und kleinzuhalten gelernt hat.

„Chor der Erinnyen“ erzählt davon, wie in der Geschichte des Abendlands, vor allem aber seit der Aufklärung das zurückgedrängt worden ist, was bei dem Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung Anima genannt wird. Jung unterschied in seiner Beschreibung der menschlichen Seele die Archetypen Animus und Anima. Während der Animus für die männliche Natur steht, für Geist und Gedächtnis, steht Anima für Wind, Atem und Seele. Jung sieht in jedem Menschen beide Anteile angelegt, beide Anteile können gute und schlechte Wirkungen entfalten.

Keineswegs geht es in „Chor der Erinnyen“ um eine simplifizierende Darstellung der Geschlechterverhältnisse nach dem Motto „Böse Männer – Arme Frauen“. Die Frage, um die sich der Roman weitaus stärker, zeitweise amüsant, dann wieder verstörend, aber immer stupend klug und motivisch dicht verwoben verdient macht, lautet eben nicht: Wie wurden und werden Frauen benachteiligt? Sie lautet dagegen: Wie ließe sich anders vermitteln zwischen männlichem und weiblichem Prinzip, das nicht zwingend an ein biologisches Geschlecht gekoppelt ist? Wie ließe sich anders vermitteln zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Lustgewinn und Triebverzicht, wie sich anders sprechen über das, was in der Geschichte des Abendlandes dem Animus zum Opfer gefallen ist?

Nach der Lektüre ist auch das Motto des Romans präziser deutbar, in dem das Wort „heimlich“ fällt: „Chor der Erinnyen“ fragt von vielen Seiten aus nach dem Unheimlichen in all seinen Gestalten, nach dem offen Ungeordneten. Es geht zuvorderst von Mathilda aus, aber auch von ihren beiden Freundinnen Birte und Olivia, mit denen Mathilda, den Hexen in Shakespeares Macbeth vergleichbar, im Wald zusammenkommt. Das Unheimliche wird von drei Wesen verkörpert, ist und bleibt in der Welt. Es manifestiert sich im Roman am ausdrücklichsten in dessen chorischen Passagen, in denen die Erinnyen, die drei antiken Rachegöttinnen, das Geschehen kommentieren. Wie „Chor der Erinnyen“ das Unheimliche als Ausdruck von gestörten Balancen in seinen äußeren und inneren Ausformungen beschreibt, ist meisterhaft. Einmal mehr zeugt der Roman vom Ausnahmekönnen seiner Autorin.

https://www.deutschlandfunk.de/marion-poschmann-chor-der-erinnyen-dlf-fddfed6a-100.html

Lyrikgespräch: Ana Pepelnik „nicht fisch“ und Jan Wagner „Steine und Erden“ ( 24. Oktober 2023, DLF, Büchermarkt)

Die Sendung kann hier nachgehört werden.

Ana Pepelnik wurde 1979 in Ljubljana geboren, sie ist Dichterin, Musiker, Übersetzerin unter anderem von Sylvia Plath, Elizabeth Bishop und Wallace Stevens ins Slowenische. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und ist Sängerin der Band Boring Couple und beschäftigt sich mit Impro Poesie Musik Performances.  Wichtige Bände sind die beiden Bände techno und treš, was auf Deutsch so viel wie „Müll“ heißt.

Ihr Band „techno“ ist in der deutschen Übersetzung eine Kompilation aus den beiden slowenischen Originalbänden „techno“ und „treš“. Zwei Übersetzerteams waren hier am Werk: Amalija Maček und Matthias Göritz bewegen sich in ihren Versionen näher am Original, während Adrian Kasnitz und Thomas Podhostnik bewusst nach- und neu gedichtet haben. Damit bildet die deutsche Übersetzung auch etwas was ab, was der slowenischen Sprache eigen ist: sie ist gesprochen voller Variantenreichtum und Offenheit des Originals, die Mischung verschiedener übersetzerischer Zugänge bildet das ab.

Liebe, Krieg und Tod sind, auch unter dem Eindruck des Bosnienkriegs von 1992 bis 1995 zentral in Pepelniks Gedichten: „heute schreib ich am meisten traurigkeit in eine welt hin lass mich die traurigkeit der welt ach egal wiederkrie/g“ heißt es gleich im ersten Gedicht des Bandes. Das Bildinventar des Kriegs und der Kriegsführung taucht in den Gedichten immer wieder auf. Der Krieg, der mit Kampf und Tod einhergeht, erscheint wie eine Ausprägung des Todestriebs, des Thanatos. Im Gedicht „slowenische apokalypse“, das ein wenig wie ein postmodernes Pastiche von Weltende von Jakob van Hoddis klingt, ist durchzogen von Donner, Blut, Ende, das Wort Krieg kommt nicht vor, aber er Untergang, trotz der Liebe, die in diesem Gedicht auch beschworen wird. Ein anderes Gedicht heißt „Louder than bombs“, eine Anspielung auf den Film, aber auch auf ein Album der britischen Band „The Smiths“. Der Todestrieb manifestiert sich im Krieg, in der Aggression, er kann aber auch produktiv gemacht werden, wenn es gelingt, die zerstörerische Energie umzulenken, wofür diese Gedichte auch ein Beispiel sind, ein Beispiel eines auszufechtenden Text-Kreigs gegen sich selbst aus dem man für einen Moment siegreich hervorgeht, wenn man ein Gedicht geschrieben hat.

Im „nicht fisch“-Band von Ana Pepelnik wird auch Trauer verarbeitet wird, der Tod des verstorbenen David Šalamun, Sohn des großen slowenischen Dichters Tomasz Salamun,IM Gedicht „Für dich, Tomaz, als Rache“ findet sich im Bild einer Schneekugel die Erinnerung an diesen Tod konzentriert.

Jan Wagners Gedichte gehen auch im achten Band des 1971 geborenen Dichters immer vom Konkreten aus, vom Kleinen, vom vermeintlich Beiläufigen. Und sie machen es dann groß. Steine und Erden bezieht sich auf das Motto des Bandes von Francis Ponge, das man so übersetzen könnte: „Wenn das Reden über Erde mich zu einem minderen Dichter oder Erdarbeiter machen sollte, will ich es sein! Ich kenne kein größeres Thema.“

Denken wir an Steine und Erde, dann können wir uns deren Aufbau aus einzelnen Atomen in Gitterstrukturen feststellen, iDer Stein ist so wichtig in allen Traditionen, der Stein von Jesu Grab, der Stein von Rosetta, — ohne den Stein, wie es in einem früheren Gedicht von Jan Wganer über Mücken heißt, der Stein bei Celan, etc. Dagegen stehen die Erden, aus denen Gott Adam schuf, Erde zu Erde, Asche zu Asche als Christliche Begräbnisformel, etc.

Und zugleich sind Steine und Erden sehr konkret, wie immer bei Wagner bestehen die Titel seiner Gedichte aus einzelnen, zwei konkreten Begriffen (verba), wie so oft geht es auch hier um Städten und Länder (oder allgemeiner: den Orten) Tiere, Pflanzen, Gegenstände, bekannte Persönlichkeiten und literarische Gattungen.

Der Band mit seinen fünf Abteilungen, mit seinen so fein gearbeiteten Gedichten ist einmal mehr ein Ausweis für die immensen Fertigkeiten, die Jan Wagner an den Tag legt. Seine Gedichte lehren uns genaues Hinsehen, sie lehren uns das Schauen hinter die Dinge, ich bin als jemand, die Wagners Lyrik immens schätzt: seinen Umgang und sein Weiterdenken, sein Ausreizen und zum Teil auch sein Ironisieren der lyrischen Tradition, die er in ihrer Form- und Bildsprache unglaublich gut kennt. Fügungen wie „der / saft der reifen pflaumen am baum begann in / wespen zu sprechen“ aus dem Gedicht Erinnerungen an die Siebziger Jahre sind so bezaubernd wie Jan Wagners Gedichte es zu sein vermögen, unübertroffen präzise und schöpferisch.