Maren Kames „luna luna“ und Levin Westermann „bezüglich der schatten“ (1. November 2019, DLF, Büchermarkt)

Wer hätte nicht schon oft zu ihm hingestarrt, hingeschmachtet: Der Mond als Sehnsuchtsplanet, als Planet, dem in der Astrologie und der abendländischen Geistesgeschichte das weibliche Prinzip zugeschrieben wird, jenes „kleinere der großen Lichter“, von dem es in der Genesis heißt:

„Und Gott machte zwei große Lichter; ein großes Licht, das den Tag regiere und ein kleines Licht, das die Nacht regieren, dazu auch die Sterne. Und Gotte setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war, da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.“ (Gen. 1, 16-19)

ist ein in unzähligen Variationen bedichteter, besungener und „bemalter“ Planet. Eichendorff, Matthias Claudius, Anna Achmatova „Ich lebe aus dem Mond, du aus der Sonne“ , in jüngster Zeit die „Flüchtigen Monde“ des diesjährigen Leonce- und Lena-Preisträgers Yevgeniy Breyger bei Kookbooks — das sind nur einige Beispiele für lunatisch-lyrische Mondadressierungen.

Maren Kames trägt nur das ihrige dazu bei. Mit „luna luna“ hat sie mich persönlich deutlicher von ihrem Schreiben überzeugen können, als das bei ihrem Debüt „halb taube, halb pfau“ der Fall war. Das liegt unter anderem daran, dass Kames in „luna luna“ meinem Eindruck nach eine noch engere Verzahnung von Lyrik und Lyrics, von Poesie und Pop gelingt.

Noch mehr beeindruckt hat mich Levin Westermanns Band „bezüglich der schatten“. Im Kritikergespräch mit Insa Wilke und Michael Braun haben wir eine etwas genauere Verortung der beiden Bände am Firmament der Gegenwartslyrik versucht. Nachzuhören ist das am Buchmessenfreitag etwas übermüdet geführte Gespräch hier.

Jan Wilm „Wintertagebuch“ (November 2019, Frankfurter Hefte)

Das Romandebut „Wintertagebuch“ von Jan Wilm zählt für mich zu den interessanteren deutschsprachigen Texten des Jahres. Es mag sein, dass es eher ein Roman für Literaturwissenschaftler und Kritiker ist, wenn man überhaupt in solchen Schubladen denken will. Vor allem aber setzt sich Wilm erzählend mit dem autofiktionalen Schreiben auf sehr amüsante, ja teilweise persiflierende Weise auseinander. Meine Rezension in den Frankfurter Heften ist derzeit nicht online nachzulesen, man kann aber über die Seite an ein Heft kommen. Hier.

Gertrud-Kolmar-Preisverleihung (27. September 2019, Literaturhaus Hamburg)

Ulrike Draesner wurde für ihr Gedicht »Doggerland« mit dem ersten Gertrud Kolmar Preis ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptreis wurde ihr am 27. September im Rahmen eines feierlichen Festakts zu Ehren Gertrud Kolmars im Literaturhaus Hamburg verliehen. Pega Mund erhielt für Ihre Einreichung »Fünf Pigmente« den mit 4.000 Euro dotierten zweiten Preis. Ronya Othmann ist mit ihrem Gedicht »Ich habe gesehen« mit dem mit 2.500 Euro dotierten Förderpreis prämiert worden.

„Flügelschlag des Schmetterlings.“ Über die Ausstellung Alexander Calder – Pablo Picasso im Musée Picasso in Paris (Frankfurter Hefte, September 2019)

Den August 2017 habe ich in Berlin verbracht und von dort aus die Ausstellung „Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne“ im Museum Barberini besucht. Damals blieb ich „hängen“ an einer Arbeit von Alexander Calder, dessen Werk mir bis dato kaum bekannt gewesen war. „Rote Polygone“, entstanden um 1950, faszinierte mich in einer zunächst nicht näher bestimmbaren Weise so sehr, dass ich gegen Ende der Ausstellung noch einmal in den ersten oder zweiten Ausstellungsraum zurücklief und mich zu fragen begann, was genau mich daran so bewegte. Daraus wurde eine längere Recherche, die im Besuch einer Ausstellung in Paris im Juli 2019 gipfelte — Melbourne, wo 2019 eine große Calder-Einzelausstellung gezeigt wurde, war dann doch zu weit –, aus der dann wiederum dieser Artikel für die Frankfurter Hefte entstanden ist.

Peter Kurzeck „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ und „Als Gast“ (25. August 2019, SWR2, lesenswert)

Für den SWR habe ich Peter Kurzecks Nachlassroman im Zusammenhang mit der Neuauflage von „Als Gast“ besprochen, es ist weniger eine Einzelbesprechung als eine Mischung aus Rezension und Porträt dieses Autors, der für mich wie kein zweiter meinen Blick auf Frankfurt geprägt hat, dessen Romane mich regelrecht dazu gezwungen haben, diese Stadt genauer anzuschauen, in die ich im Oktober 2000 mit dem Vorsatz gekommen bin, für ein Jahr zu bleiben. Das ist jetzt 19 Jahre her. Man lese einmal Kurzeck und gehe danach probeweise durch Frankfurt. Man wird die Stadt dann lieber mögen, schöner verabscheuen, es besser in ihr aushalten, wie sie es umgekehrt zwar ohne ihn aushält, aber auch Frankfurt täte es besser, wenn Kurzeck noch scharf und milde darauf schaute und das Gesehene aufschriebe. Er fehlt.
Zu meinem Beitrag geht es hier.