Die Stadt und der Text (5. Juni 2019, Deutsches Architekturmuseum)

Jede Stadt hat ihre eigene Geschichte und der Text dieser Geschichte hat viele Autoren. Zu ihnen zählen insbesondere auch alle diejenigen, die das Schreiben zu ihrer Profession gemacht haben. Wie Autoren und Autorinnen der Gegenwart an der Geschichte Frankfurts mitschreiben, welche Bilder der Stadt sie in ihren Erzählungen, Romanen und Gedichten entwickeln und wie und ob sich ihre Fiktionen der Stadt von einer dokumentarischen Sichtweise unterscheiden, beleuchtet dieser Vortrag anhand literarischer exemplarischer Frankfurt-Beschreibungen.

Lese(n) 2018

Nichts zu lachen?

Es gibt ja gemeinhin eher wenig zu lachen. Aber ich lache gerne, und so nenne ich hier zunächst die Bücher, bei deren Lektüre ich in diesem Jahr derart lachen konnte, dass es nicht auf Kosten Dritter geschehen ist, sich das Lachen auf halber Strecke in Horror, Irritation, Trauer oder Hilflosigkeit verwandelt. Aber immerhin, Lachen war erkenntnisfördernd möglich: so etwa über die selbstironischen Einlassungen des nach Kanada eingewanderten Haitianers Dany Laferriere, der sich in „Tagebuch eines Schriftstellers im Pyjama“ (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn, 2017) bitterböse und kolonialismuskritisch an Klischees über (die Potenz) farbige(r) Männer abarbeitet. Oder über einige von Paul-Henri Campbells Gedichten in „nach den narkosen“ (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn, 2017), über die empathischen und lebensnahen Texte von Martina Hefter in „Es könnte auch schön werden“ (Berlin: KOOKbooks 2018), über bizarre Bonmots und Details, in überraschendem Vokabelkleider einherschreitend, wie es Heimito von Doderer in der“Strudlhofstiege“ (München: C. H. Beck 2016) meisterhaft vollführt:
„Man sieht, wie jedermann seine Beiträge lieferte zur Komplizierung quer liegender Sachen, nun, eigentlich schon kreuz und quer liegender Sachen.“

Auf ganz äußerliche Weise lässt sich dem Kontingenzempfinden mit einem Buch in der Hand begegnen: Jemand hat etwas geschrieben, ein Verlag hat das Manuskript angenommen, lektoriert, den Text gesetzt, die Ausstattung komplettiert usw. usw. Beruhigender Gedanke, maßgeblich unterstrichen durch die Materialität des Buchs, schon allein deswegen werde ich mich nie ganz ans Digitale gewöhnen: Du hast ein Buch in der Hand? Dann hast du schon etwas in der Hand.

Eine Erinnerung aus dem Sommer 2018: Das Schlimmste an dem Umstand, dass eine verwirrte Seele im August mir auf dem Weg in meinen ersten großen Urlaub seit Jahren das Auto aufgebrochen hat (wohlgemerkt in einem Taunusvorort und nicht irgendwo im Ausland, wie es viele, denen ich die Geschichte zu erzählen begonnen habe, gleich mutmaßten), war weder die zerbrochene Scheibe, noch waren es die Scherereien auf der Suche nach einer Werkstatt, die das Auto Samstagmorgens zur Reparatur annimmt und es auch behält. Das Schlimmste war, dass diese verwirrte Seele ausgerechnet die Büchertasche mit meiner Urlaubslektüre aus dem Auto entwendet hatte, so dass ich in der Hängematte in Ligurien nicht die Bücher lesen konnte, die ich doch so dringend hatte lesen wollen. Das war das separat eingepackte Lesegerät mit den Digitalisaten ausnahmsweise ein Segen, ebenso wie der Bücherschrank im Feriendomizil, der breit gefächert ausgestattet war.
(Die Tasche ist übrigens wieder aufgetaucht, die Seele war tatsächlich so verwirrt, dass sie den Reichtum nicht bemerkt  und die Tasche mitsamt allen Büchern darin in einen Busch geschleudert hat.)

Und hier kommen nun einige Leselisten des Jahres. Ich wollte schon lange mal wieder eine Leseliste aufstellen, alle möglichen Leute machen das ja ständig, sie machen auch Plattenlisten und Ausstellungslisten und manche werden sogar nach dafür bezahlt. (Meine letzte offizielle Leseliste stammt von 2008, mit ihr habe ich in Graz das Amt der Lesestipendiatin gewonnen, ich bin also auch dafür bezahlt worden, heuer, um es mal auf steirisch zu sagen, war ich dort mal wieder zu Besuch.)

Jetzt sind es mehrere geworden. Und ich geb‘ sie gratis her, es sei denn, jemand möchte was spenden. (Kein Anwalt gibt auch nur einen rechtlichen Tipp für umsonst her, als Leserin und Kritikerin werde ich dagegen ständig gefragt, ob ich nicht einen Tipp hätte für die französische Halbschwester, den operierten Onkel, usw. )

Die Listen sind im Großen und Ganzen nach Adjektiven sortiert, obwohl ich an sich gegen den inflationären Gebrauch von Adjektiven bin, obwohl auf alle Bücher mehrere passen, und obwohl Adjektive schnell verrutschen. Man kann die hier gelisteten Bücher, von den ärgerlichen abgesehen, auch einfach als Leseempfehlungen begreifen.

Prosa / Fiction

  • Mehrmals:„Die Universität“ von Andreas Maier. Roman (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Tränenreich: „Es könnte auch schön werden“ von Martina Hefter. Gedichte und Sprechtexte (Berlin: KOOKbooks 2018)
  • Informativ: „Alle, außer mir“ von Francesca Melandri. Roman (Berlin: Wagenbach 2018)
  • Poetisch: „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ von Peter Kurzeck. Romanfragment (Frankfurt am Main: angekündigt bei Stroemfeld 2018 / erscheint bei Schöffling 2019)
  • Inspirierend: „Erinnerungen eines Mädchens“ von Annie Ernaux. Prosa (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Traurig: „Geisterbahn“ von Ursula Krechel. Roman (Salzburg: Jung und Jung 2018)
  • Überraschend: „Orchis“ von Verena Stauffer. Roman (Wien: Kremayr &Scheriau 2018)
  • Hochintelligent: „Buch der Zahlen“ von Joshua Cohen. Roman (Frankfurt am Main: Schöffling 2018)
  • Ärgerlich: „Wie hoch die Wasser steigen“ von Anja Kampmann. Roman (München: Hanser 2018)

Lyrik

  • Immer wieder: „Gedanken unter den Wolken“ von Philippe Jaccottet (Göttingen: Wallstein 2018)
  • Tränenreich:„Es könnte auch schön werden“ von Martina Hefter. Gedichte und Sprechtexte (Berlin: KOOK 2018)
  • Lehrreich: „Dodos auf der Flucht. Requiem für ein verlorenes Bestiarium“ von Mikail Vogel (Berlin: Verlagshaus Berlin, 2018)
  • Poetisch (bei Lyrik eine behämmerte Charakterisierung, aber ich lasse sie trotzdem stehen): „Wer A sagt“ von Sandra Burkhardt (Frankfurt am Main: Gutleut 2018)
  • Inspirierend:„Falsches Rot“ von Dieter M. Gräf (Berlin: Brueterich Press 2018)
  • Traurig: „geschriebes. selbst mit stein“ von Rainer René Mueller (Heidelberg aouey 2018)
  • Überraschend: „3 Falter“ von Sibylla Vricic Hausmann (Leipzig: Poetenladen 2018)
  • Hochintelligent: „Engel der Illusion“ von Christian Uetz. (Zürich: Secession 2018)
  • Ärgerlich (der Aufmachung halber, die den reichen Inhalt in Sack und Asche kleidet): „Aus Mangel an Beweisen“. Anthologie. Hg. von Michael Braun und Hans Thill (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2018)

Sachbuch / non fiction

  • Mehrmals: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Tränenreich: „Randgebiete der Arbeit“ über Tomas Tranströmer (München: Hanser 2018)
  • Lehrreich: „Die immer neue Altstadt. Bauen Zwischen Dom und Römer seit 1900.“ Ausstellungskatalog. Hg. von Philipp Sturm und Peter Cachola Schmal. (Berlin: Jovis 2018)
  • Poetisch: „Enzyklopädie des Zarten“ von Anne Brannys (Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt 2017)
  • Inspirierend: „Vertigo“ von Heike Gallmeier. (Berlin: Fantome 2018)
  • Traurig: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz (Berlin: Suhrkamp 2018)
  • Überraschend: „Die Illusion der Gewissheit“ von Siri Hustvedt (Hamburg: Rowohlt 2018)
  • Streitbar: „Poetisch denken“ von Christian Metz (Frankfurt am Main: S. Fischer 2018)
  • Ärgerlich: „Anti-Genderismus“ Hg. von Sabine Hark und Paula-Irene Villa (Bielefeld: Transcript 2015)

Zehn neu und / oder wiedergelesene Lieblingsbücher

  • „Die Strudlhofstiege“ von Heimito von Doderer. Roman (München: C. H. Beck 2016. Sonderausgabe)
  • „nach den narkosen“ von Paul-Henri Campbell. Gedichte (Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2017)
  • „Licht“ von Christoph Meckel. Roman (Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1991)
  • „Die Jahre“ von Annie Ernaux. Prosa (Berlin: Suhrkamp Verlag 2017)
  • „Fremde Felle“ von Sylvia Geist. Gedichte (Berlin: Hanser 2018)
  • „Die Universität“ von Andreas Maier. Roman (Berlin: Suhrkamp Verlag 2018)
  • „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi. In der Übersetzung von Rosemarie Tietze. Roman (München:Hanser 2009)
  • „Cherubinischer Wandersmann“ von Angelus Silesius. Kritische Ausgabe. (Stuttgart: Reclam 2000)
  • „Hinter Büschen an eine Hauswand gelehnt“ von Zora del Buono. Roman (München: C.H. Beck 2017)

(PS: Begründungen werden separat berechnet!)

Interview mit Mary Pepchinski und Wolfgang Voigt über die Ausstellung „Frau Architekt“ im Deutschen Architekturmuseum

Am 19. September 2017 habe ich ein Interview geführt mit Mary Pepchinski und Wolfgang Voigt, zweien von insgesamt drei Kurator*innen der Ausstellung „Frau Architekt“, die vom 30. September bis zum 8. März 2018 im Deutschen Architekturmuseum zu sehen ist.
Es war ein überaus anregendes und engagiertes Gespräch über Genderfragen, den Berufsstand und die Konzeption der Ausstellung. Wir haben aber auch nachgedacht über Fragen der Vermittlung und darüber, dass dieses Thema trotz der großartigen und intensiv durchdachten Ausstellung, die zu sehen sich unbedingt lohnt, noch lange nicht ausgeschöpft ist. „Frau Architekt II“ könnte sofort konzipiert werden.

Das Interview wird in der Novemberausgabe der Frankfurter Hefte erscheinen. Die Ausstellung läuft im Deutschen Architekturmuseum, ein umfangreiches Begleitprogramm gibt es im Museum und an weiteren Orten.

Über die Zukunft der Bibliotheken (Frankfurter Hefte)

Für die Ausgabe 5/2017 der Frankfurter Hefte berichte ich über das Symposion zur Zukunft der Bibliotheken, das im Februar 2017 und organisiert von der Münchner Stadtbibliothek im Gasteig stattgefunden hat, über den Versuch der Deutschen Nationalbibliothek, die Nutzer zur „digital first“-Lesepraxis zu bringen, ganz allgemein über die Zukunft der Bibliotheken.

Hier kann man den Beitrag nachlesen: 2017-05_troeger_NGFH

Der Herr im Haus über Architektur im Playboy. Eine Schau im Deutschen Architekturmuseum (Der Freitag)

Der Herr im Haus.
Eine Schau im Deutschen Architekturmuseum zeigt, wie Hugh Hefners „Playboy“ den städtischen Junggesellen erfand und mit ihm das moderne Wohnen

Wie aus einem Möbelstück eine Ikone werden kann, hat der Designer Werner Aisslinger kürzlich in einem Interview skizziert. Es hänge davon ab, ob es gelingt, diesen Gegenstand in eine Erzählung einzubinden. Dass der Lounge Chair von Charles und Ray Eames oder der Barcelona Chair von Mies van der Rohe bis heute als Chiffren für moderne Urbanität stehen, ist also womöglich nicht nur der gestalterischen Vision dieser Architekten und Designer geschuldet, sondern auch dem Playboy-Erfinder Hugh Hefner. Weiterlesen!